Praxistipp: Personenzentrierte Gesprächsführung für erfolgreiches Lerncoaching

Von Torsten Nicolaisen, Coaching-Experte, Kiel

Wie erleben Lernende ihren Lernprozess? Welche Lernproblematik haben sie? Und was würde ihnen aus ihrer Sicht helfen? Fragen, die zentral für ein erfolgreiches Lerncoaching sind. Im Mittelpunkt des Coachings steht stets das subjektive Erleben der Lernenden, das unter anderem beeinflusst wird durch das Selbstbild der Lernenden, ihre bisherige Lernbiographie, internalisierte Lernstrategien und, wichtig, mit dem Lernen verbundene Emotionen.

Aufgabe der Lerncoaches ist es deshalb, in personenzentrierten Gesprächen herauszufinden, wie Lernrealität und Lernproblematik der Lernenden aussehen und über welche Ressourcen sie verfügen, die sie noch nicht nutzen. Ziel der Gespräche ist es, die Lernenden ganzheitlich wahrzunehmen, deren Druck zu mindern und zu erfahren, ob ihr Gegenüber überhaupt in der Lage ist, zu lernen, oder ob Emotionen wie z.B. Angst das Lernen verhindern.

Damit Gespräche gelingen, müssen Lerncoaches allem voran einen Zugang zu den Lernenden finden, um eine Beziehung zu ihnen aufbauen zu können. Dafür eignet sich die Methode des Aktiven Zuhörens. Aktives Zuhören bedeutet: Fragen zu stellen und die Antworten der Coachees jeweils kurz zusammenzufassen. Das Zusammenfassen verfolgt mehrere Zwecke:

  • Die Coaches vergewissern sich, dass ihre Wahrnehmung des Gesagten stimmt, dass sie die Lernenden richtig verstanden haben und dass keine eigenen Annahmen und Vermutungen in die Zusammenfassung eingeflossen sind.
  • Die Lernenden fühlen sich akzeptiert und verstanden.
  • Das Geschilderte wird strukturiert.
  • Schwerpunkte werden sichtbar.

Wie aber gelingt das richtige Zusammenfassen im Aktiven Zuhören? Folgende Punkte sind wichtig:

  • Nonverbal: zugewandte Haltung, konzentrierte Aufnahme der Schilderungen
  • Verbal: wenige, aber klare, einfache Sätze
  • Möglichst neutrale Wiedergabe
  • Keine eigenen Meinungen und Wertungen
  • Und zentral: kein Angebot an Lösungsideen!

Die Fragen der Coaches sollten idealerweise dahin führen, dass die Lernenden selber Lösungen entwickeln, Lösungen, die vielleicht ganz anders aussehen, als die Coaches selber vorgeschlagen hätten.

Dafür braucht es eine ruhige Gesprächsführung, in denen Pausen eine wichtige Rolle einnehmen. Durch das Zusammenfassen können Zusammenhänge sichtbar werden, die von den Lernenden in einem inneren Prozess zuerst einmal verarbeitet werden müssen. Die Momente des Schweigens sind also notwendige und aussagekräftige Bestandteile eines Coachings – mitunter ermöglichen sie mehr als gesprochene Worte. Die Kunst besteht darin, die Wortlosigkeit auszuhalten und dem inneren Rhythmus des Gegenübers zu folgen.

Erst, wenn es den Lerncoaches gelungen ist, den Zugang zu den Lernenden zu finden und ihre Lernproblematik zu verstehen, ist der Raum offen für Fragen wie: Was genau hilft denn den Lernenden? Ist die Lernproblematik kognitiv begründet? Dann wäre an den Lernstrategien zu arbeiten. Oder liegen die Ursachen vielmehr in den Emotionen? Dann sollten sich Coach und Coachee auf eine Ressourcensuche begeben, die einem Schürfen nach Goldstaub ähnelt. Denn: Viele Lernende sind sich ihrer Ressourcen kaum oder gar nicht bewusst.

Zu Torsten Nicolaisen
Torsten Nicolaisen ist ein renommierter deutscher Coaching-Experte, der verschiedene Bücher zum Lerncoaching publiziert hat. Der Praxistipp entstand im Rahmen einer Weiterbildung mit Torsten Nicolaisen, an der die Förderprogramme der Allianz Chance+ teilnahmen.

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Hilfreiche Literatur mit Praxistipps finden sich unter diesem Link https://www.nicolaisen-partner.de/publikationen/