Chancengerechtigkeit am Gymnasium? Ein Massnahmenkatalog von Hannah Neumann

Da ich erkannt habe, dass wir Chancengerechtigkeit auch an Gymnasien noch nicht erreicht haben, habe ich einen Massnahmenkatalog erstellt mit Verbesserungsvorschlägen an das Schweizer Bildungssystem, an Gymnasien generell und an das Literaturgymnasium Rämibühl im Speziellen.

Spätere Selektion
Was am Bildungssystem generell geändert werden müsste, ist der zu frühe Selektions- zeitpunkt. Aufgrund meiner Recherchen ist mir klar geworden, dass eine Selektion chancengerechter verläuft, je später sie durchgeführt wird.

Gymiprüfung
Ich bin mir nicht sicher, ob eine Abschaffung der Gymiprüfung der richtige Weg wäre, da einzig die Einschätzung von Eltern und Primar-Lehrpersonen sehr subjektiv verlaufen kann. Eine Erhöhung der gymnasialen Maturitätsquote könnte aber zur Chancengerechtigkeit beitragen. Zudem sollte die Gymiprüfung anonym durchgeführt werden, um den Einfluss von Vorurteilen zu mindern.

Weiterbildung für Lehrpersonen
Eine Verbesserungsmassnahme, auf die ich während meiner Recherche sowie durch die Interviews mehrmals gestossen bin, ist die Aufklärung der Lehrpersonen durch spezifische Weiterbildungen zum Thema Chancengerechtigkeit. Es ist wichtig, dass sich Lehrpersonen bewusst werden, welch grossen Einfluss sie auf den schulischen Erfolg ihrer Schüler/Innen haben und wie sie unabsichtliche Ungerechtigkeiten vermeiden können.

Unterstützung für Schüler/innen
An Schulen sind Förderprogramme wichtig für begabte aber weniger privilegierte Jugendliche. Dazu gehören auch Mentor/Innen, welche die Schüler/innen fachlich und mental unterstützen können. Zudem sollte es kostenlose Nachhilfeangebote geben. Ein weiterer Ansatz wäre, keine Hausaufgaben zu geben, denn zuhause sind die Ressourcen und Möglichkeiten zur Unterstützung der Schüler/innen sehr unterschiedlich. Besser wären selbstständige, aber betreute Aufgabenstunden an der Schule.

Richtlinien für den Unterricht
Weiter halte ich aufgrund meiner Erkenntnisse Richtlinien zur Förderung von Chancengerechtigkeit im Lehrplan sowie im Unterrichtsmaterial für wichtig, auch um mehr Diversität im Unterricht zu fördern und neue Perspektiven zu ermöglichen. Ausserdem sollte an Gymnasien Rassismus und Diskriminierung ein Unterrichtsthema sein.

Richtlinien für Personalentscheide
Auch Richtlinien bei der Anstellung von Lehrpersonen zur Förderung der Diversität im Lehrkörper könnten wirksam sein, um Chancengerechtigkeit zu fördern. Eine vielfältige Zusammensetzung der Lehrerschaft kann sich positiv auf die Mentalität der Schüler/Innen auswirken. Ich halte dies speziell an einem offenen, aber wenig diversen Gymnasium, wie dem LG, für wichtig.

Stelle für Chancengerechtigkeit
Wirksam wäre sicher auch eine für Chancengerechtigkeit zuständige Person, einerseits als Anlaufstelle für Gerechtigkeitsprobleme, andererseits, um Massnahmen anzuregen für den Unterricht und den Schulalltag, um Chancengerechtigkeit zu fördern.

Kostenloses Schulmaterial
Damit Kindern aus weniger privilegierten Familien der Zugang zum Gymnasium erleichtert wird, sollte zudem das Schulmaterial mindestens während der ersten drei Schuljahre (Schulpflicht) am Gymnasium kantonal finanziert werden, wie an der Sekundarschule.

Behindertengerechtes Schulareal
Die Inklusion von Menschen mit Behinderungen und die Bereitschaft, die dafür notwendigen Mittel aufzuwenden, sollte ebenfalls gefördert werden. Im Hinblick auf den bevorstehenden Umzug des LG halte ich einen behindertengerechten Ausbau der Schulgebäude für den chancengerechten Umgang mit Personen mit physischen Benachteiligungen für wichtig. Dazu gehört zum Beispiel eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit auf dem Schulareal sowie die Einrichtung von Behinderten-Toiletten.

Nachteilsausgleichsmassnahmen
In Bezug auf psychische Benachteiligungen müssten vor allem die Nachteilsausgleichs- massnahmen erweitert werden, denn es stellt sich die Frage, ob diese wirklich ausreichen. Ob zum Beispiel eine Verlängerung der Prüfungszeit um 5 Minuten einem Schüler oder einer Schülerin mit ADHS wirklich etwas nützt, wenn während dieser Zeit alle andern abschliessen und mit ihren Blättern rascheln, ist fraglich.