Bildungsgerechtigkeit – eine Chance im Wert von 30 Milliarden Franken

Das Thema Fachkräftemangel steht weit oben auf der politischen und wirtschaftlichen Agenda. Neue Technologien und die Verschärfung des Standortwettbewerbs verlangen zunehmend nach heraus­ragenden Talenten, deren Verfügbarkeit für den Wirtschaftsstandort Schweiz unerlässlich ist. Es gilt, hiesige junge Talente zu identifizieren und zu fördern, unabhängig von ihren sozioökonomischen Verhältnissen.

Deshalb hat das Beratungsunternehmen Oliver Wyman Schweiz, unterstützt von der Allianz Chance+, die Studie «Bildungsgerechtigkeit – Chance für die Schweizer Wirtschaft» durchgeführt. Sie hat zum Ziel, die volkswirtschaftlichen Chancen der Mobilisierung von Jugendlichen aus bescheidenen Verhältnissen – einem grossen, aber häufig vernachlässigten Talentpool – zu quantifizieren und nachhaltige Lösungsansätze abzuleiten, wie diese Talente entlang ihrer Bildungsbiographie gezielt gefördert werden können.

Die Studie umfasst eine für die Schweiz erstmalige, umfangreiche Quantifizierung des volkswirtschaftlichen Potentials von verbesserter Bildungsgerechtigkeit. Diese wird ergänzt durch rund zwei Dutzend Tiefeninterviews mit Top Executives führender Unternehmen und renommierten Bildungsexperten sowie einer breit angelegten Umfrage unter Jugendlichen über die Hürden auf ihrem Lern- und Berufsweg. 

Kickoff und Präsentation im Landesmuseum

Am 27. Juni 2023 wurden die Studienergebnisse an einem Kickoff-Event im architektonisch zukunftsgerichteten Auditorium des Landesmuseums präsentiert, moderiert und geleitet von Joris D’Incà, Managing Partner von Oliver Wyman und Spiritus rector der Studie. Ukshin Berisha, Berater von Oliver Wyman, stellte die Ergebnisse vor. Ana Da Silva Rodrigues und Franck William, zwei junge Menschen, bewerteten die Ergebnisse im Gespräch mit unserem Präsidenten Jürg Schoch im Lichte ihrer Lernbiographie. Und Diana Hardie (CFO Hermedica), Jasper den Ouden (SR Technics) sowie André Wall (CEO Ruag und Beyond Gravity) brachten die Sicht der Wirtschaft ein.

Die wichtigsten Ergebnisse

  • Der Schweizer Volkswirtschaft entgeht durch den nicht ausgeschöpften Talentpool jährlich Wertschöpfung von bis zu 30 Milliarden Franken.
  • Bis 2035 fehlen der Schweizer Wirtschaft ca. 300’000 Fachkräfte. Das bisher ausgeschöpfte Talentpotential reicht nicht aus, den Bedarf an (hochqualifizierten) Fachkräften zu decken. Die Identifizierung und Förderung bisher vernachlässigter Talente ist daher für den Wirtschaftsstandort Schweiz unerlässlich.
  • Jedes Jahr werden bis zu 14’000 sozial benachteiligte Jugendliche nicht ihrem Potential entsprechend ausgebildet. Zentralen Einfluss auf den Bildungsverlauf von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat der sozioökonomische Status der Eltern, und zwar auf jeder Bildungsstufe. Sozial selektive Muster zeigen sich vor allem beim Übertritt zur Sek 1 und zum Gymnasium: Bei gleicher Leistung schaffen ihn benachteiligte Jugendliche weniger häufig als privilegierte Mitschüler:innen.
  • Die Weichen werden zu früh gestellt: Bereits beim Übertritt von der Primarschule in die Sek 1 beeinträchtigen strukturelle Hürden den Werdegang von Jugendlichen. Danach sind die Chancen gering, in ein höheres Schulniveau aufzusteigen.
  • Nicht die Leistung oder die Bildungsaspiration beeinflussen den Bildungsverlauf sozial benachteiligter Jugendlicher massgeblich, sondern informelle Hürden wie Informationsdefizite, finanzieller Druck, fehlende Vorbilder und mangelhafte Unterstützung in der Ausbildungs- und Berufswahl.

Lösungsansätze aus der Wirtschaft und Bildung

Der Schweizer Talentpool muss dringend bestmöglich entwickelt werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Dafür sind Initiativen im Schulterschluss zwischen Bildungssystem, Politik und Wirtschaft notwendig. Die Mobilisierung des inländischen Talentpools erfordert ein Bündel von Massnahmen in verschiedenen Handlungsfeldern:

  • Von Wirtschaftsseite angeregt werden die systematischere Identifikation von Talenten, der Aufbau von innovativen Betriebs- und Branchenakademien, aktivere Förderung der Berufsmatura, Schaffung von qualifizierten Stellen für Werkstudent:innen, Aufbau gemeinsamer dualer Lehrgänge von Unternehmen und Hochschulen sowie neue Finanzierungsmodelle.
  • Von Bildungsseite genannt werden sprachliche Frühförderung von Kindern nicht-deutscher Muttersprache, spätere Selektion, Förderung der Durchlässigkeit auf Sekundarstufe 1, Sensibilisierung der Lehrkräfte für leistungsfremde Hürden sozial benachteiligter Jugendlicher, langfristiges Mentoring sowie Pairing mit Vorbildern höherer Bildungsstufen.

«Es muss ein Paradigmenwechsel stattfinden», bilanzierte Joris D’Incà am Kickoff. «Förderung statt Selektion ist das Konzept der Zukunft. Zugang und Entwicklung eines breiten inländischen Talentpools sind der Schlüssel, um die Herausforderung Fachkräftemangel zu meistern.» Und André Wall meinte: «Wir müssen jetzt investieren, gemeinsam mit der Politik und der Bildung.»

Wir von der Allianz Chance+ nehmen die Wirtschaftsleute beim Wort. An unserer Tagung am 28. Oktober 2023 in der BBB Baden. Unser Thema: «Talents for Future – Bildungschancen verbessern, Talente entdecken und fördern – im Schulterschluss von Wirtschaft, Politik und Bildung.» 
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So berichteten die Medien über die Studie

Videos vom Kickoff folgen demnächst.