Deutsche Sprache, schwere Sprache
Ich heisse Zerina Duvnjak, bin 20 Jahre alt und befinde mich zurzeit im zweiten Jahr des Studiums an der Universität Zürich. Ich wurde in Bosnien geboren und lebte dort bis zum 11. Lebensjahr. 2014 kam ich mit meiner Mama in die Schweiz und traf auf eine unbekannte Kultur, eine neue Sprache und vor allem – auf eine mit völlig fremde Welt.
Die grössten Schwierigkeiten bereitete mir die deutsche Sprache. Ich erinnere mich, dass ich mich mit meinen neuen Klassenkamerad:innen nur mit den in Bosnien angeeigneten Englischkenntnissen verständigen konnte. Lustigerweise hat das dazu geführt, dass sie heute noch den Buchstaben «R» in meinem Namen englisch aussprechen, weil sie damals dachten, ich sei anglophon.
Was ist das, ein Förderprogramm?
Ich hatte Glück, dass ich von meinem neuen Umfeld und meiner Klasse herzlich aufgenommen wurde. Trotzdem galt für mich: deutsche Sprache, schwere Sprache. Von der 4. bis zur 6. Primarschule wurde ich regelmässig ins DaZ (Deutsch als Zweitsprache) geschickt. Das war sehr anstrengend, ich hatte ehrlich gesagt zu kämpfen. Aber letztlich hat sich alle Mühe gelohnt, heute bin ich sehr dankbar für die DaZ-Unterstützung.
In der der 6. Primar hat mir meine Klassenlehrerin das Förderprojekt CHANSON empfohlen. Ich gebe zu, dass mein 12-jähriges Ich damals nicht richtig verstanden hat, was ein Förderprojekt ist. Einerseits wegen der Sprache, andererseits wegen des Konzepts. Mittlerweile kann sich aber mein 20-jähriges Ich glücklich schätzen, diese Möglichkeit bekommen zu haben.
Die Unterstützung durch CHANSON – sie dauerte bis und mit 1. Quartal der Sekundarschule — hat mir geholfen, auch in der Sek gute schulische Leistungen zu erbringen. Ganz wichtig war die Unterstützung mehrerer Lehrpersonen, die immer da waren, wenn heikle Fragen, Probleme bei Hausaufgaben oder Unklarheiten auftauchten. Meine Leistungen waren bald so gut, dass ich im zweiten Sek-Jahr in die Kantonsschule wechseln konnte. Dort habe ich die Matura erfolgreich abgeschlossen und danach mit einem Studium angefangen.
Bildung ist nicht selbstverständlich
Meine Interessen und meine Stärken entwickelten sich in Richtung der Sprachen, und so studiere ich heute als Major diejenige Sprache, die mein einziges und Hilfsmittel während meinem neuen Lebensabschnitt vor zehn Jahren in der Schweiz war: Englisch, genauer gesagt, englische Sprach- und Literaturwissenschaft. Meinen Minor bildet die französische Sprach- und Literaturwissenschaft. Ausserdem habe ich es geschafft, einen kleinen Nebenjob zu ergattern, in dem ich Deutsch und Schweizerdeutsch unterrichten darf.
Darauf kann man, finde ich, sehr stolz sein. Ich bin sehr dankbar für die Art und Weise, wie sich mein Leben in der Schweiz entwickelt hat. Ich habe vieles in diesen zehn Jahren gesehen und gelernt; nicht nur auf die Schule bezogen, sondern auch auf das ganze Leben. Im nachhinein bin ich stolz darauf, dass ich als Teenager nicht aufgegeben habe, auch wenn es schwierige Situationen in dieser neuen, «westlichen» Welt gab, die sich stark vom Balkan unterscheidet.
Viele Leute vergessen, dass Bildung nicht überall selbstverständlich ist, und dass sie ein Privileg ist. Bildung kann, meiner Meinung nach, auf verschiedene Art und Weise jungen Menschen Wege aufzeigen, in denen sie sich weiterentwickeln können. So habe ich den Weg der Sprachen eingeschlagen, auf dem ich mich mit grosser Freude weiterbilde. Mein Ziel ist es, Gymi-Lehrerin zu werden – damit ich das Gelernte und meine Erfahrungen anderen jungen Menschen weitergeben kann.