Andreas Pfister legt nach

Bis im Jahr 2050 sollen alle Schweizer Jugendlichen einen Maturaabschluss erwerben, idealerweise die Hälfte eine Berufsmatur, die andere Hälfte eine allgemeinbildende Matur. Denn die Anforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft steigen laufend. Und höhere Ansprüche rufen nach höherer Bildung.

Andreas Pfister fordert eine Bildungsreform in der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Kantonen. Er wünscht sich ein massives Wachstum der Berufsbildung mit einer Pflicht zur Berufsmatur und ein moderates Wachstum bei der allgemeinbildenden Matur. Das bedeutet eine Verlängerung der Schulpflicht. Die Sekundarstufe II soll obligatorisch werden.

Chancengerechtigkeit ist Pfister dabei ein besonderes Anliegen. Er stösst sich daran, dass die heutige «Abschottung des akademischen Weges gegenüber sozial Benachteiligten» niemanden wirklich stört und fordert auf der Sekundarstufe I Einheitsschulen mit Binnendifferenzierung. Die Durchlässigkeit des Systems müsse in der Praxis auch wirklich genutzt werden, personalisierte Lernumgebungen seien das Gebot der Stunde. Und er weist darauf hin, dass eine zögerliche Erhöhung der gymnasialen Maturquote zu einem verstärkten Verteilkampf unter Jugendlichen aus privilegierten Familien führen wird – und Jugendliche aus sozial schwachen Familien wieder das Nachsehen haben. Das aber könntene sich weder Gesellschaft noch Wirtschaftleisten. «Das nicht ausgeschöpfte Potenzial unter sozial benachteiligten Familien, die «Lost Einsteins», bremsen die Innovationskraft.»

Eine verbesserte Bildung für alle auch durch mehr Allgemeinbildung in der Berufsbildung sind für Pfister unabdingbar, wenn die Jugendlichen für die Zukunft vorbereitet sein sollen. Und weil nicht alle freiwillig die Chance einer so verlängerten schulischen Bildung erkennen, sei sie schlicht zur Pflicht zu machen. Pfister erinnert dabei an die Einführung der allgemeinen Schulpflicht im 19. Jahrhundert.

Naiv ist Pfister in seinen Überlegungen nicht. Er weiss um die Spannungsfelder und Dilemmata, und er benennt die zusätzlichen Kosten. So will er beispielsweise zur Stärkung der Berufsbildung ein staatliches Lehrgeld für Lehrstellen einführen, damit sich die Ausbildung von Lehrlingen lohnt. Und er weist darauf hin, dass die erwünschte öffentliche Finanzierung von höheren Bildungen nur Bestand haben wird, wenn Chancengerechtigkeit gelebt und soziale Mobilität möglich ist.

Ideen eines Fantasten? Natürlich kann man sich fragen, ob die Aufteilung in eine Berufsmatur A und eine Berufsmatur B nicht wieder zu Segregation führen wird. Oder wie sinnvoll eine Verlängerung der Ausbildungszeit aus entwicklungspsychologischer Sicht ist. Fest steht aber: Da denkt einer das grosse Ganze, schaut in die Welt und macht sich grundsätzliche Gedanken – differenziert, fundiert, mutig.